Vogelkollisionen an Glas vermeiden

Wie können Vögel vor dem tödlichen Aufprall an Glasscheiben bewahrt werden?

Ein Bericht der Vogelwarte Sempach

Glas kommt an modernen Gebäuden sehr oft zum Einsatz und ist heute deshalb fast überall anzutreffen. Für Vögel bildet es eine ständige, tödliche Gefahr, die sehr viele Opfer fordert. Die Zahl der Kollisionen liesse sich allerdings mit einfachen Lösungen einschränken. Die Vogelwarte erklärt auf ihrer neuen Internetseite zu diesem Thema, wie man dabei vorgeht und welche konkreten Massnahmen man schon bei der Planung eines neuen Gebäudes oder aber nach Unfällen ergreifen kann.

Vögel kommen in unseren Agglomerationen überall vor. In den meisten Fällen sind sie sehr willkommene Gäste, die wir mit Futterstellen und Nisthilfen sogar in unsere Gärten locken. Allerdings lauern hier überall Gefahren. Neben Katzen und dem Strassenverkehr fordern Glasscheiben so viele Opfer, dass sie in der Schweiz zu einem der wichtigsten Tierschutzprobleme geworden sind. Noch vor kurzer Zeit – nach biologischen Zeiträumen gemessen – konnten sich die Vögel im Luftraum frei bewegen. Alle Hindernisse waren gut sichtbar und konnten problemlos umflogen werden. Heute droht den Vögeln in Dörfern und Städten durch Glas überall eine unsichtbare Gefahr! Dieses Material hat Hochkonjunktur und wird in der modernen Architektur dank einiger vorteilhafter Eigenschaften sehr geschätzt.

Bei einer unliebsamen Begegnung mit einer Glastür kommen wir Menschen meist mit ein paar blauen Flecken oder leichten Prellungen davon. Für fliegende Vögel ist der Aufprall an einer Glasscheibe wegen ihrer höheren Geschwindigkeit in der Regel viel härter und endet deshalb oft tödlich. In der Schweiz wird die jährliche Zahl an Scheibenopfern auf mehrere Hunderttausend geschätzt, in Deutschland sogar auf 18 Millionen. Genaue Zahlen sind schwierig zu erheben, denn einerseits können die Vögel nach dem Aufprall oft noch wegfliegen und sterben erst später an den Verletzungen, andererseits werden viele der vor Glasscheiben am Boden liegenden Opfer rasch von Katzen oder Füchsen abtransportiert.

Doppelte Gefahr

Ein Teil der Gefahr durch Glas besteht in seiner Durchsichtigkeit. Ein Vogel, der auf ein anvisiertes Ziel, z.B. einen Baum zufliegt, erkennt diesen, nicht aber das unsichtbare Hindernis davor und kollidiert mit der Glasscheibe. Je durchsichtiger das Glas und je grösser die Scheibe ist, umso mehr nimmt die Kollisionsgefahr zu.

Das zweite Problem an Glasflächen ist die Spiegelwirkung. Gewisse Scheibentypen wie etwa Sonnenschutzgläser reflektieren ihre Umgebung recht naturgetreu. Ein fliegender Vogel erlebt das Spiegelbild als realen Lebensraum. Wenn er sein Ziel entsprechend wählt, kommt es ebenfalls zu einem Zusammenstoss. Die Gefahr dafür steigt mit der Intensität und der Wirklichkeitsnähe der Spiegelung.

Die Gefahren sichtbar machen

Wer die Zahl der Vogelkollisionen mit Glasscheiben verringern möchte, muss das unsichtbare Glas mit Hilfe von Markierungen sichtbar machen! Weil viele Vögel es gewöhnt sind, durch kleine Lücken im Laubdach eines Baumes hindurchzufliegen, dürfen die freien Stellen zwischen diesen Markierungen nicht grösser sein als eine Handfläche, also etwa 10 × 10 cm.

Lösungen schon in der Planungsphase…

Mit einer geschickten Raumanordnung kann man die Fenster schon in der Planungsphase eines Neubaus so positionieren, dass viele Vogelfallen gar nicht erst entstehen. Verglaste Hausecken, Lärm- und Windschutzwände, Balkongeländer aus Glas und transparent verglaste Wintergärten sind Gefahrenherde, die man von Anfang an vermeiden kann. Das gilt in besonderer Weise für aus durchsichtigem Glas bestehende Hausecken. Wenn grosse, transparente Glasfronten zwingend erforderlich sind, sollte man sie von Anfang an mit Markierungen versehen. Gefahrlose Alternativen bieten auch sandgestrahlte, geriffelte, farbige oder bedruckte Gläser. Die Glashersteller haben das Problem übrigens erkannt und bringen zunehmend Gläser mit geringerem Kollisionsrisiko auf den Markt.

Um Spiegeleffekte von Fenstern zu reduzieren, sind Gläser mit einem Aussenreflexionsgrad von höchstens 15 % geeignet. Sie bieten noch keinen absoluten Kollisionsschutz, zeigen aber, in welche Richtung die Entwicklung weitergehen sollte. Die Gefahr durch spiegelnde Scheiben lässt sich mit gut sichtbaren Markierungen ebenfalls verringern. Dies ist besonders bei Gebäuden in naturnaher Umgebung sehr zu empfehlen.

…oder nach Unfällen

Auf dem Markt ist eine grosse Auswahl an Markierungen erhältlich, die zur Reduktion der Gefahren an Glasscheiben beitragen sollen. Die Vogelwarte empfiehlt, sich an geprüfte Produkte zu halten. Diese sind auf der Internetseite zum Thema Glas und Vögel aufgeführt.

Klebefolien sollten auf der Aussenseite der Scheiben aufgebracht werden; dort sind sie besser sichtbar und vermindern zusätzlich den Spiegeleffekt. Generell hängt die Wirksamkeit einer Markierung vom Anteil der abgedeckten Glasfläche, vom sichtbaren Kontrast und vom Reflexionsgrad der Glasscheibe ab. Vertikale Streifen wirken besser als horizontale. Lineare Muster sollten mindestens 15 % der Fläche abdecken, Punktraster mit weniger als 3 cm grossen Punkten 25% und solche mit Punkten ab 3 cm Grösse 15 %. Die Farben sollten zu jenen der Umgebung gut kontrastieren. Weiss, Rot und Orange leisten dies in der Regel. Sonnenschutz-Vorrichtungen wie (Lamellen-)Vorhänge, Storen oder Brise-Soleils bieten übrigens auch einen gewissen Kollisionsschutz.

Greifvogelsilhouetten und UV-Aufkleber sind wirkungslos

Von Greifvogelsilhouetten als Schutzvorrichtungen gegen Kollisionen profitieren einzig und allein deren Verkäufer. Bitte verwenden Sie sie nicht, denn die Vögel erkennen sie nicht als Feinde und halten deshalb auch keinen Abstand zu ihnen. Darüber hinaus kontrastiert ihre dunkle Farbe in düsterer Umgebung zu wenig, und in den allermeisten Fällen sind die Abstände zwischen den Silhouetten viel zu gross, als dass die Handflächenregel eingehalten würde, die natürlich auch hier gilt.

Auch durchsichtige Aufkleber, die UV-Licht reflektieren und damit Vogelkollisionen verhindern sollen, sind leider unwirksam, wie eine von der Vogelwarte vor kurzem in Auftrag gegebene Studie ergab. Weder die greifvogelförmigen UV-Kleber der Firma Dr. Kolbe birdsticker® noch die vertikalen UV-Streifen desselben Herstellers zeigten im Flugkanal unter natürlichen Beleuchtungsbedingungen irgendeinen positiven Effekt. Angesichts der unbefriedigenden Resultate mit den Dr. Kolbe birdsticker®-Produkten und weiteren, schon früher getesteten und für Menschen ebenfalls unsichtbaren UV-aktiven Glasmarkierungen rät die Vogelwarte von deren Verwendung ab.

Für die Probleme von Vögeln mit Glas gibt es also eine ganze Reihe von Lösungen. Der ästhetische Eindruck eines Gebäudes muss darunter keineswegs leiden, insbesondere wenn man bei den Markierungen Wirksamkeit geschickt mit Kreativität verbindet. Nach der Verwandlung in sichtbare, im Idealfall sogar reizvolle Oberflächen können die Vögel das Glas erkennen und Kollisionen vermeiden.

Herzlichst Agatha

Weshalb kommt es zu Kollisionen?

Auf Gefahren wie Glaswände hat die Evolution Vögel nicht vorbereitet. Drei verschiedene Phänomene führen zu Kollisionen mit Glas.

Durchsicht

Die bekannteste Ursache für Anflüge an Glas ist dessen Transparenz. Ein Vogel erblickt durch eine Glasfront hindurch einen Baum, den Himmel oder eine ihm zusagende Landschaft. Er steuert diese in direktem Flug an und kollidiert dabei mit der Scheibe. Die Gefahr ist umso grösser, je transparenter und grossflächiger die Glasfront ist.

Spiegelungen

Das zweite Phänomen sind Spiegelungen. Je nach Scheibentyp, Beleuchtung und Ge­bäudeinnerem wird die Umgebung unterschiedlich stark und unterschiedlich präzise reflektiert. Spiegelt sich eine Parkland­schaft, wird dem Vogel ein attraktiver Lebensraum vorgetäuscht. Er fliegt diesen direkt an, ohne zu reali­sieren, dass es nur das Spiegelbild ist. Dieselben Folgen haben in die Landschaft gestellte Spiegel.

Licht

In Mitteleuropa weniger bekannt – aber durchaus ein Thema – ist die Irreleitung von nächtlich ziehenden Zugvögeln durch Lichtquellen. Oft werden nächtlich ziehende Zugvögel vom Licht angezogen, kommen desorientiert vom Kurs ab oder verunglücken dann sogar an Hindernissen. Diese Gefahr besteht besonders bei Schlechtwetter und Nebellagen. Dies ist von Leuchttürmen, Erdölplattformen (Abfackeln von Gasen), Hochhäusern, beleuchteten Gebäuden auf Alpenpässen, Leuchtmasten und anderen exponierten Bauten bekannt. Der aktuelle Trend zum Bau von Hochhäusern vergrössert diese Gefahrenquelle auch bei uns. Die starke Beleuchtung kann auch für die übrige Tierwelt, insbesondere die Insekten, ein Problem sein.

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Durchsicht

Durchsicht Gefahr für Vögel

Spiegelungen

Spiegelungen eine Gefahr für Vögel

Licht

Licht eine Gefahr für Vögel

Vorschläge und Praxis – Beispiele

Das Verwaltungsgebäude der Schweizerischen Bundesbahnen in Bern wurde mit lamellenartigen Scheiben versehen, in die ein feines metallisiertes Gitter (SEFAR) einlaminiert ist.

SBB Gebäude
Beispiel: Fahrrad einmal anders
Der Siebdruck verhindert in dieser Fahrradgarage in Wien den Vogelanprall.
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Beispiel: Schmuckstück in Zürich

Dieser Vorbau des Museums Rietberg in Zürich befindet sich mitten in einem Park. Er wurde – nicht zuletzt aus Vogelschutzgründen – mit durchwegs bedrucktem Glas realisiert und als „Smaragd“ bezeichnet.
Schmuckstück in Zürich

Beispiel: Farbige Verbindung

Gut sichtbares Blattmuster auf den Scheiben eines Verbindungsganges zwischen Wohnblöcken.
Farbige Verbindungen
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